Frage:
Das philosophische Betthupferl #157 -- Weshalb sind "ideale" Staaten stets totalitaristisch?
Deus ex Machina
2011-08-31 12:27:00 UTC
Auf Morus' "Utopia", Campanellas "Sonnenstaat" und Bacons "Nova Atlantis" muß ich wohl nicht sonderlich eingehen. - Ich setze voraus, daß die Antwortenden diese Schriften kennen (wenn nicht, dann sollten sie sich einer Antwort entheben).
Ebenso auch in dieser Hinsicht Platons "Der Staat" sowie einige seiner Briefe.
Vor ein paar Jahren hat P. Sloterdijk dies aufgenommen und einen "humanistischen Brief" geschrieben mit dem Titel " Regeln für den Menschenpark" - stellt sich nur die Frage, wie dieser Text mit Senecas "De beata vita" zusammenpaßt!
Nun, wenn alle Menschen glücklich leben wollen - was wohl niemand einem einzigen Menschen streitig machen wird -, warum glauben manche (selbsternannte oder von anderen so ernannte) Philosophen, das Glück eines jeden Menschen zu kennen?
Wäre es also nicht wirklich "besser", in einem Ameisenstaat zu leben?
(Wiewohl dies hier in Deutschland schon annähernd der Fall ist ...)
Sieben antworten:
dιe deɴĸмαѕcнιɴe
2011-08-31 12:57:38 UTC
Einer der antiken Philosophen aus dem jüngst pleite gegangenen Schuldenstaat die aber lecker Gyros kochen tun hat doch damals gesagt, dass eine gute Diktatur (mit einem weisen Herrscher, Ich z.B.) besser ist als eine schlechte Demokratie also Volksherrschaft, weil sich da immer nur das Mittelmaß durchsetzt. Hmmm... stimmt... obwohl wenn ich mal so Richtung Berlin schaue muss ich konkreter sagen, das untere Mittelmaß. Der Vorteil der Demokratie ist, dass die Herrschaft des Mittelmaßes sich zwar nicht optimal, dafür in aller Regel aber auch nicht verherrend auswirkt. die Gefahr einer Diktatur hingegen ist, dass sie in eine Tyrannis umschlagen kann. Klassisches Beispiel: Knut wird vom Thron verdrängt und durch irgendeinen durchgeknallten Spastmatiker ersetzt. Also: Kein Utopia in einem demokratischen Gemeinwesen, aber auch kein Distopia. Dafür aber Griechen die vor den Banken kriechen und Deutsche die für alles zahlen!



In diesem Sinne... gute Nacht zusammen!



@Achim Weitzel Ich war's nicht (ich hab auch gewählt, aber nicht die)! Der größere Teil derjenigen die zu den Wahlurnen gekrochen sind allerdings, das ist richtig. Entspricht ja auch meiner Theorie, das Mittelmaß setzt sich durch weil die meisten Leute mittelmäßig sind und lieber ihresgleichen wählen. Hier hab ich noch einen Link zu Aristoteles Staatsformenschema (das meinte ich)...

http://www.radiance-consulting.de/download_ger/GEMEINWOHL_UND_EIGENNUTZ.pdf

...unsere heutige Herrschaftsform, die Bonzokratie, entspricht nach Aristoteles Definition "die gesetzlose Herrschaft der Reichen" am ehesten der Oligarchie. Merke: Wir müssen unterscheiden zwischen formeller und faktischer Herrschaft und Merkel & Co. sind nichts als armselige Finanzmarktbüttel
Achim Weitzel
2011-08-31 19:41:10 UTC
Weil Menschen Menschen sind und keine Utopisten. Menschen veranstalten Dinge, die sie und andere unglücklich machen, also kein Bestandteil der Utopie sein können, da die Utopie ja nur glückbringend sein soll.



Damit Menschen nun eben nicht mehr "menschlich" (also im Sinne der Utopie schlecht) sind, sondern utopisch muss der Staat zur Sicherung der Utopie eingreifen und das überall und immer.

Voilà ein totalitaristischer Staat.



@Knut: Für die Politikerschelte "unteres Mittelmaß": Wer hat denn das "untere Mittelmaß" gewählt?^^
Don Joe™
2011-09-01 09:40:57 UTC
anbei enthalten ist nur bedingt synonym zu entheben .. entheben bedeutet auch gleichzeitig "darüber hinaus gehen" ..enthalten nur das man nicht darauf eingeht/sich davon entfernt



ich habe deiner erwähnten schriften kaum eine gelesen, trotzdem antworte ich hier mal



- weil philosophen oft von sich mehr denken als sie selber (er)finden (denken) in der lage sind

- weil ein vollkommener staat (eines jeden glück) hier nicht machbar, es ist das ziel im paradies

- weil totalität in bezug auf Gott den Einen mehr als angebracht ist



hier prüfen wir uns - dann wird uns lohn



siehe und beherzige es oder gehe abseits - es ist deine entscheidung





grüße und frieden und einen geraden weg





+++++++++

nachtrag:



du scheinst dich sehr in deinem intellekt zu suhlen, vorallem öffentlich und vor anderen - spricht es bände? siehe deine aussage - bleibt die frage wie gehaltvoll und tief dieser dein intellekt wirklich ist - viel philosophie machen heisst nicht philosoph sein - contemplatio ist nicht nur lesen - denken ist nicht nur reden - denn du weißt ja "wer als redner denkt ist redner, kein denker" - du kennst doch sicherlich nietzsche mh?



"Die deutsche (ebensowenig wie die englische, französische, italienische, lateinische und altgriechische) Sprache mußt Du mir nicht beizubringen bemüht sein; darin kenne ich mich besser aus als Du."



anbei: du vergisst - die künstlerische freiheit vorallem im geschriebenen, gerade deutsch ist dafür eine hervorragende sprache, hat sicherlich vor und nachteile, aber vorteil ist ohne frage: einen rahmen und stil sich selbst zu erfinden - ob man damit verständlich ankommt ist eine andere frage



also urteile zuerst dein selbst im inneren bevor du äusserlich andere be-vor-ab-urteilst



wenn ich soviele sprachen (die gleich wurzeln) wie du beherrschen würde wäre ich glücklich und dankbar, würde nicht so damit prahlen - denn du weißt - ein aufrechter liebt die bescheidenheit des egos, ein heuchler den prunk - oder bist du etwa eine frau? dann wäre es angebracht - all der putz ;)=
Schleier des Nichtwissens
2011-09-02 21:52:12 UTC
Ich denke, dass "idealen" Staatsentwürfen notwendigerweise ein totalitaristisches Moment innewohnt.



Das speist sich weniger aus den zahlreichen Beispielen der Geschichte, in denen die Fehlerhaftigkeit des menschlichen Seins oft eine bedeutende Rolle zukommt.



Sondern vor allem aus theoretischen Überlegungen: Ein "idealaler" Staatsentwurf hat einen Wertekanon und eine Wertehierarchie, die dem Pluralismus der Menschen klare Grenzen setzen. Pluralismus bitte nicht als Beliebigkeit, sondern als Anerkennung unterschiedlicher individuell begründeter, aber nachvollziehbarer Wert- und Denksysteme verstehen.



Ein idealistischer Staatsentwurf muss logischerweise nicht nur abweichende Weltanschauungen (also den Pluralismus) ablehnen, sondern sie aufgrund des eigenen Selbstverständnisses "ausrotten" wollen. Denn wenn es genau ein höchstes und unbedingt zu erreichendes Ziel gibt, sind alle Mittel nicht nur recht, um Hindernisse aus dem Weg zu räumen, sondern sogar geboten.



Klar könnte man jetzt fragen, was mit einer politischen Theorie ist, die den Pluralismus als Ideal ansetzt. Aber in diesem Fall droht entweder die Selbstauflösung oder auch hier der Totalitarismus:

Entweder man verteidigt den Pluralismus selbst dann, wenn er Meinungen mehrheitsfähig macht, die den Pluralismus abschaffen werden, oder man verteidigt das pluralistische Prinzip mit allen Mitteln, in letzter Konsequenz eben auch mit totalitaristischen.
calm
2011-09-02 08:52:40 UTC
Wiewohl du Theorie und Praxis nicht unterscheiden kannst (wer Deutschland mit einem Ameisenhaufen vergleicht, andere auf 'korrektes Deusch' und unerhebliche Formfehler hinweist ist auch dazu nicht fähig).

"Ideale" Staaten sind immer nur erdachte Staaten! Wenn es menschenmöglich wäre, die Verhaltensweisen einer großen interaktiven Gemeinschaft vorauszusagen und das geeignete Konzept zu finden, wäre es wohl schon passiert.

Naja, versuch es dochm mal als kleiner General (Georgien könnt sich anbieten...), sprich: es ist schön, wenn ein chmeischer Versuch funktioniert- doch Menschen arbeiten nicht nach allgemeingültigen Regeln...



(Ich hab extra für dich 10 Rechtschreibfehler eingebaut- find sie und du krisst Punkte gut)
Anselm T
2011-08-31 21:45:45 UTC
Für einen Ameisenstaat sind die Menschen schon zu individuell und zu egozentrisch.

Dummerweise entsprechen die Bedürfnisse und das Streben vieler Menschen noch nicht den vernünftigen humanistischen Idealen der durchaus wohlmeinenden großen Denker.

Viele brauchen noch Anleitung und jemanden, der ihnen die Richtung weist.

Das wäre jetzt zwar ein Argument für eine Diktatur eines einzelnen, aber da niemand perfekt ist, geht das auch nicht.

Wenn alle Menschen weise genug wären und die Ideale verinnerlicht und verstanden hätten bestünde Einigkeit und es bedürfte keiner Totalität.

Ich glaube aber nicht, dass wir das noch erleben.
Rive Gauche
2011-08-31 19:51:07 UTC
wenn die die Schriften nicht kennen... entheben? enthalten wenn schon. Die Schriften von Erasmus von Rotterdam,. über Hobbes und Locke bis JJ Rousseau, die Schriften von Robesspierre, wie Marx und Engels, Camus auch wenig bekannt, passt zu Cicero (sen),

Alle Theoretiker aber haben gemein: Ein Staat ist ein Gefüge, nie eine Offenbarung des Glücks der Menschen, der Möglichkeit irgendwie mit Regeln zusammenzuleben. Das funktionierte in der Antike schon nicht, bei einer sehr geringen Populationsdichte.

Es war bei Macciavelli überholt, aber heute ein sinnloses Hin und Her von Staatstheorien.

Plato jun. hat bereits 79nChr festgestellt: Die Welt ändert sich und die Ideen der Vergangenheit verlieren an Bedeutung.

Also anstatt Theorien aus der Vergangenheit zu zitieren ist es doch sinnvoll sich neue Gedanken zu machen und daran arbeiten.

Da bin ich bei Camus: Wer heute in die Ideologien der Vergangenheit schwelgt bekommt die Zukunft nicht mit.

Mein Betthupferl an die Zitatenkönigreiche! Selbst denken als Theorien in Auszügen auf die Menschheit werfen!


Dieser Inhalt wurde ursprünglich auf Y! Answers veröffentlicht, einer Q&A-Website, die 2021 eingestellt wurde.
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